Rezension

Bridget Anderson, Doing the Dirty Work?

 Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit in Europa. Berlin und Hamburg (Assoziation A) 2006. 272 dicht bedruckte Seiten, Preis 14€

Es handelt sich hier um ein Buch zu einem Thema, das in der Literatur wie in den gängigen Diskussionen noch immer unterbelichtet ist. Die Diskussion über bezahlte Hausarbeit wird in den kommenden Jahren auch in den Schengen-Staaten einen sehr viel höheren Stellenwert haben als zur Zeit noch. Und überhaupt ist dieses Buch ein Anlass, die längst verebbte Diskussion über Reproduktionsarbeit wieder zu beleben – im Schnittfeld der Themen Migration, Arbeit und Reproduktion.

Die Herausgeberinnen, Doris Schierbaum und Monika Becker, präsentieren dieses Buch, von Frauen aber nicht nur für Frauen, als Kritik der Arbeitsteilung im Haushalt und aus der Erfahrung, dass viele ihrer früheren feministischen Mitstreiterinnen heute wie selbstverständlich den Dreck von bezahlten Hausarbeiterinnen wegmachen lassen, um selbst ihren hochdotierten Berufen nachzugehen, oder um Quality Time im Leben zu genießen, mehr Freude pro Herzschlag. Und die Männer kaufen sich gegen Geld von den Haushaltsverpflichtungen frei, die sie ohnehin stets nur widerwillig und zur Not verrichtet haben. „Wir sind dagegen, den Streit um die Verteilung der Reproduktionsarbeit mit der Einstellung einer Hausarbeiterin zu beenden und ad acta zu legen. Wir halten fest an einem politischen Konzept, das die herrschenden Normen der kapitalistischen Arbeitswelt und der ihr unterworfenen Reproduktion ebenso in frage stellt wie die sexistische und rassistische Arbeitsteilung“, so heißt es in ihrem Vorwort.

Bridget Anderson hat ihr Buch bereits im Jahre 2000 im Zed Books Verlag veröffentlicht. Das Buch war aber in Deutschland auch auf Englisch nicht mehr erhältlich, so dass sich die Übersetzung auch 6 Jahre später mit Sicherheit gelohnt hat. Manche Zahlen und Details mögen veraltet sein, die Inhalte und Argumentationsstränge sind unverändert aktuell. Durch ein „Update 2005“, das Anderson für die deutsche Ausgabe geschrieben hat, wird ein Bogen zu den aktuellen Entwicklungen geschlagen.

Anderson schreibt, und das macht die besondere Qualität ihres Buchs aus, nicht von einer akademischen Warte aus, sondern sie ergreift Partei, als Frau mit „migrantischem Hintergrund“ wie es heute so heißt, als Beteiligte an der Kampagne der Kalayaan, einer Organisation, die in den frühen 1990er Jahren das Bleiberecht für migrantische Hausarbeiterinnen in Britain partiell durchsetzen konnte, und als Forscherin, die vor nunmehr 10 Jahren in mehreren europäischen Metropolen dem Schicksal der bezahlten Hausarbeiterinnen nachgegangen ist: in Athen, Bologna, Barcelona, Paris, London und Berlin. Anderson arbeitet zur Zeit an der Universität Oxford zu den Themen Migration und Arbeitsmärkte (www.compas.ox.ac.uk).

  Bridget Anderson

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“Doing the Dirty Work?“ beginnt mit einer theoretischen Begriffsbestimmung der Hausarbeit. Anderson beschreibt, wie sich die viktorianische Dichotomie von Madonna und Hure in die heutige Zeit als rassistisches Konstrukt verlängert in die Dichotomie zwischen weißer Arbeitgeberin und farbiger Hausarbeiterin. Sodann wird, im 3. Kapitel, die soziale Organisation der bezahlten Hausarbeit in Europa diskutiert: die Migrationswege, die Vermittlungen und Agenturen – vor allem aber werden die zwei entscheidenden Achsen dargestellt, welche die soziale Position der bezahlten Hausarbeiterinnen bestimmen: ihr aufenthaltsrechtlicher Status, legal oder illegalisiert, und ihr Wohnort: Live-in oder Live-out. Im Lauf des Buchs wird an zahlreichen Beispielen ausgeführt, dass die Live-in-Arbeit, wenn also die Hausarbeiterin an ihrer Arbeitsstelle wohnt, eigentlich per se schon zu Überausbeutung und zur Beschädigung des eigenen Selbst führt, anders als wenn sich die Arbeiterin nach der Arbeit in eine getrennte Wohnung zurückziehen kann. Ein prekärer aufenthaltsrechtlicher Status führt dazu, dass die Arbeiterinnen eine Live-in-Arbeit annehmen müssen, was die Machtposition der Arbeitgerberinnen noch verstärkt.

Die Kapitel 4 und 5, mit dem Titel „Unsichtbare Frauen“, stellen auf 40 Seiten die Ergebnisse einer 1995 und 96 durchgeführten Feldforschung in verschiedenen Städten Süd-, West- und Zentraleuropas dar. Je nach Möglichkeit wurden Migrantinnen und Arbeitgeberinnen interviewt, Agenturen und NGOs aufgesucht, Literatur und Zeitungsartikel ausgewertet. Jeweils werden das Nebeneinander und die rassistische Staffelung der unterschiedlichen Ethnitäten und der unterschiedliche aufenthaltsrechtliche Status der migrantischen Hausarbeiterinnen dargestellt. Live-in-Arbeitsverhältnisse werden überwiegend in Südeuropa vorgefunden, in Athen häufig ohne Papiere, in Bologna häufig mit formellem Aufenthaltsrecht, und in Barcaleona legal und illegal bunt gemischt, bedingt durch die schaukelnde spanische Immigrationspolitik. In Paris und Berlin wurden dagegen überwiegend Live-out-Arbeitsverhältnisse vorgefunden, sans papiers in Paris, überwiegend Polinnen mit Touristenvisa in Berlin.

Im 6. Kapitel stellt Anderson die Verhältnisse in Britannien dar, und der Schwerpunkt der Darstellung liegt hier auf dem Bericht über die Kampagne der Organisation Kalayaan und über die Widersprüche, in denen sich eine solche Kampagnenarbeit unweigerlich verfängt. Die Immigrationsmöglichkeiten für Hausarbeiterinnen waren im Lauf der 70er Jahre auf Null reduziert worden; zum Ausgleich hatte der Staat reichen Immigranten die Möglichkeit eingeräumt, Bedienstete mit einreisen zu lassen, wobei diese allerdings keinen unabhängigen aufenthaltsrechtlichen Status bekamen. Dieser besonderen Abhängigkeit von den Arbeitgeberfamilien konnten sich die Hausarbeiterinnen nur durch Flucht in die Illegalität entziehen. Die Organisation philippinischer Migrationsarbeiterinnen, CFMW,  reagierte auf die Notlage arbeits- und wohnungsloser Arbeiterinnen mit der Gründung einer informellen Organisation, benannt nach einer unter Felsen und Steinen wachsenden philippinischen Blume: Waling Waling, heute United Workers Association, war Informationsbörse und Stellenvermittlung, verlieh Geld an Arbeitssuchende und stellte Notquartiere für Frauen bereit, die ihre Arbeitgeber verlassen hatten; zugleich  organisierte sie Ausflüge und Veranstaltungen und stellte den Kontakt zur Gewerkschaft TGWU her. 1987 bildete sich parallel zu Waling Waling eine Unterstützerinnengruppe, Kalayaan, in welcher britische Staatsangehörige die öffentliche Arbeit nach außen hin übernahmen. Kalayaan hatte die Aufgabe, rechtliche und medizinische Hilfen zu organisieren, eine Kampagne für die Legalisierung der betreffenden Migrantinnen zu durchzuführen und zugleich allgemein für die Veränderung der Einwanderungsbestimmungen einzutreten.

Das 7. Kapitel, „Verkauf des eigenen Selbst“, steht zentral für die theoretische Bestimmung des Themas Hausarbeit. Es handelt sich nicht um die Lohnarbeit freier Personen: die Hausarbeiterin verkauft sich selber – „mit Haut und Haar“, wie es früher hieß. Besonders die Intimität und ständige Verfügbarkeit in den Live-in-Arbeitsverhältnissen stellen eine extreme Abhängigkeit dar, die zu Bedingungen ähnlich einem Sklavenverhältnis führen kann. Die schwarze Frau, die ihre Hände in den Dreck steckt, die selbst wie ein naturwüchsig reproduziertes Importgut erscheint und die sich völlig ausgeliefert hat, scheint zur Hausarbeit prädestiniert. Hausarbeit wird zur Natur dieser Frauen erklärt, und die Rassismen und restriktive Einwanderungsbestimmungen sind hierfür die Voraussetzung. „Frauen aus rassifizierten Gruppen, die der Natur näher stehen, sind „von Natur aus“ gut für die Hausarbeit. Hausarbeit in Privathaushalten in den USA, in Kanada, Europa und im Mittleren Osten ist in einem hohen Maße rassifiziert“.  Dem Vergleich zur Sklaverei widmet Anderson dann das 8. Kapitel ihres Buches. Der Vergleich mag schief sein, aber dieses 8. Kapitel enthält überaus lesenswerte Passagen zum maternalistischen Verhältnis von Arbeitgeberin und Hausarbeiterin, wie sie in der Literatur so sonst nirgends zu finden sind und die auch dieses Kapitel überaus lesenswert machen.

Das 9. Kapitel über Status und Arbeitsvertrag und das 10. Kapitel über die aufenthaltsrechtlich bestimmte Beziehung der Migrantin zum Staat ergänzen die schon im 7. Kapitel entwickelte Argumentation um die betreffenden Aspekte. Das Update 2005 geht auf die Zunahme und neue Formen der Pflegearbeit ein, die aufgrund der demographischen Entwicklungen in Europa auch weiterhin zu erwarten ist, es berichtet über eine weitere, 2005 durchgeführte Pilotstudie, in welcher die Mentalitäten von Arbeitgerberinnen in Dheli, Catania, Bangkok und Malmö untersucht wurden, und es geht schließlich auf die gängigen Argumentationsmuster zum „Menschenhandel“ ein, denen es im Kern nicht um die Achtung der Menschenwürde, sondern um die Kriminalisierung der Mobilität selbst geht.

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Was kritisch zu dem Buch angemerkt werden soll, ist schnell gesagt. An den Verlag: Es hätte dem Buch sicher gut getan, wenn ein neues Kapitel wenigstens auf einer neuen ungeraden Seite hätte beginnen können. So quält man sich an manchen Stellen durch die Seiten, zumal die einzelnen Kapitel auch Längen und umständliche Formulierungen aufweisen. Das neunte und das zehnte Kapitel hätten mit Gewinn für die Lesbarkeit in das zweite und das siebente eingearbeitet werden können. Der Exkurs über die Sklaverei in den Südstaaten trägt zur Aufhellung und Bestimmung von Arbeitsverhältnissen in Privathaushalten genauso wenig bei wie der Rekurs auf John Locke oder Aristoteles. Schade ist, dass Bridget Anderson die deutschsprachige Diskussion der frühen 1980er Jahre über die Subsumtion weiblichen Arbeitsvermögens unter das Kapitalverhältnis nicht kennt. Ich meine damit insbesondere die Beiträge von Gisela Bock und Barbara Duden auf der Berliner Sommeruni, die Kritik der „Bielefelderinnen“ am Blinden Fleck der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, die von Veronika Bennholt-Thomsen herausgestellte Subsumtion „mit Haut und Haar“ und Ilona Bauers Aufsatz über die Reproduktionsarbeit.[1] Sie hätte dann nicht auf den Sklavenhalter Aristoteles und den Sklavenhändler Locke rekurrieren müssen, um die Besonderheit unfreier Arbeitsverhältnisse bei der Hausarbeit zu beschreiben, und vielleicht wäre in ihre Darstellung eingeflossen, dass freie Lohnarbeitsverhältnisse ohnehin einen historischen Sonderfall darstellen und dem Weltmarkt für Arbeitskraft eher die Ausnahme sind.[2]

Das Buch freilich ist auch so wie es ist überaus verdienstvoll und zur Lektüre empfohlen. Die Bedeutung bezahlter Hausarbeit wird zunehmen, und Bridget Anderson legt schlüssig dar, warum sie auch in Zukunft überwiegend von Migrantinnen und in irregulären Arbeitsverhältnissen verrichtet werden wird. Das Buch möchte eine Debatte über die den aktuellen Stellenwert der Reproduktionsarbeit anstoßen, und das tut es auch. Es möchte das Augenmerk auf die Prozesse der Selbstorganisation der Migrantinnen richten und dazu beitragen, dass migrantische Hausarbeiterinnen sich hör- und sichtbar machen können, und dass es das tut, wäre sehr zu hoffen.

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In welche Richtungen könnten die Diskussionen von diesem Punkt aus weitergehen?

Dass Haus- und Pflegearbeit in Zukunft global und auch in Zentraleuropa ein Schwerpunkt der Arbeit von Migrantinnen sein wird, steht außer Frage und Bridget Anderson hat die Gründe dafür überzeugend dargelegt. Unabhängig davon, ob die Frauenlohnarbeit weiter anwächst oder nicht: die Alten haben Geld und werden sich Pflege und Liebe kaufen, und das Familienbild der Frau Ministerin von der Leyen scheint propagandistischer Natur zu sein. Wie in der Spargelernte werden die Hartz-4-Empfänger allerdings keine Lust auf die Schnöselkinder der Reichen haben, und Migrantinnen werden einspringen – in der Pflege der Alten, in der Kinderaufzucht bei den Reichen, und in der Hausarbeit sowieso.

Liebesarbeit, Pflegearbeit, Hausarbeit sind essentiell für die Reproduktion des globalen Kapitalismus. Diese Arbeit ist nicht auszulagern, sie muss notwendig vor Ort geleistet werden. In den Philippinen als klassischem Auswanderungsland sind inzwischen 70% aller emigrierenden Personen Frauen. Allein die philippinischen Migrantinnen überweisen nach Schätzung der UN jährlich mehr als 6 Mrd. $ in ihr Heimatland zurück, und sie bezahlen damit auch die Aufzucht ihrer eignen Kinder, mit denen sie oft über Jahre nur telefonisch in Kontakt stehen. Jedes dritte Kind in den Philippinen hat ein Elternteil oder beide durch Emigration verloren. Neben den Brain-Drain ist ein Care-Drain getreten, die Verwarenförmigung von Liebe und Pflege und ihre Vernutzung in den Metropolen.[3] In den letzten 15 Jahren überwog hier in der BRD die Immigration aus Osteuropa; zweifellos wird in den nächsten Jahren aber auch die Immigration aus dem nordafrikanischen Raum zunehmen. Insbesondere betrifft dies Marokko, das nicht nur als Transitland eine Rolle spielt, sondern von wo aus ein substanzieller Einstrom von Migrantinnen die Grenzen nach Europa überwindet. In Marokko selbst wird die Hausarbeit in den reicheren Privathaushalten indes überwiegend von Kindern geleistet, unter wirklich sklavenähnlichen Verhältnissen, die das, was Bridget Anderson in Athen und anderswo in Europa angetroffen hat, an Schlechtigkeit noch weit übertreffen. Dass die Grenzen geschlossen sind trägt zur zunehmenden Verschlechterung der sozioökonomischen Verhältnisse vor den Toren der Festung Europa erheblich bei.[4]

Wenn die Nachfrage nach Niedriglohnarbeit in den privaten Haushalten steigt und das Angebot an Arbeiterinnen vorhanden ist, sind die Grenzen aber kein unüberwindliches Hindernis, sondern sie sind nur ein Regulativ von Lohnhöhe und Abhängigkeit. Die Hausarbeiterinnen werden da sein. So richtig es ist, dass jeder seinen Dreck selbst wegmachen soll, so richtig ist es andererseits auch, dass diese Migrantinnen hier ihr Auskommen finden sollen. Den entscheidenden Schutz vor Überausbeutung und Abhängigkeit werden nicht Gesetze und Verträge bieten, sondern er wird von Grad der Selbstorganisation der Migrantinnen, von ihrer Mobilität und von Zufluchtsmöglichkeiten außerhalb der Arbeitsstellen abhängen. Hierzu lohnt es, ganz genau zu lesen, was Bridget Anderson zu diesen Themen zu sagen hat. Und es wird sich lohnen, weltweit Ausschau nach Erfahrungen bezüglich der Selbstorganisation von Migrantinnen, Hausarbeiterinnen und Pflegearbeiterinnen zu halten.[5] Die Durchsetzung freier Mobilität einerseits und die Durchsetzung menschenwürdiger Löhne und Standards andererseits gehören unauflöslich zusammen.

W. Bergmann



[1] Gisela Bock, Barbara Duden, Arbeit  aus Liebe – Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus, in: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen, Berlin 1977; Claudia von Werlhof, Frauenarbeit: Der blinde Fleck in der Kritik der politischen Ökonomie, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, Heft 1, München 1978; Veronika Bennholt-Thomsen, Die Zukunft der Frauenarbeit und die Gewalt gegen Frauen, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis Heft 9/10, Köln 1983; Ilona Bauer, Frauenarbeit und kapitalistische Reproduktion, in Autonomie N.F. Nr. 14, Hamburg 1985.

[2] Lydia Potts, Weltmarkt für Arbeitskraft, Hamburg 1988, nach wie vor gut. Vgl. auch Marcel van der Linden, Plädoyer für eine historische Neubestimmung der Welt-Arbeiterklasse, in: Sozial.Geschichte Heft 3/2005, Bremen 2005.

[3] Arlie Russell Hochschild, Barbara Ehrenreich: Global Women: Nannies, Maids, and Sex Workersin the New Economy, NY (Metropolitan Books) 2003; vgl. auch Wolfgang Uchatius, Das globalisierte Dienstmädchen, Die Zeit 35, 19. Aug. 2004, S.17 f.

[4] Salvatore Pittà und Anja Zickuhr, Marokko. Transit NON Stop, Berlin (Forschungsgesellschaft Flucht und Migration Heft 9, Verlag Assoziation A) 2002; Inside the Home, Outside the Law. Abuse of Child Domestic Workers in Morocco, Human Rights Watch Vol. 17, No 12 (E), Dec.2005

[5] Zm Thema „Domestic Workers Union“ finden sich bei Google 30 Millionen Einträge